Mediation und Düfte: Eine (Neu)Entdeckung
Wenn zwei sich nicht riechen können… und wie Raumbeduftung zur Konfliktklärung eingesetzt werden kann
Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich ungerne durch Strategien, die Ihr Gegenüber in seiner Kommunikation einsetzt, beeinflussen lassen? Oder schätzen Sie die bewusste Einflussnahme auf Interaktions- und Kommunikationsprozesse, so lange Sie spüren, dass die Haltung hinter der eingesetzten Strategie stimmt? Umgekehrt: Denken Sie als Mediator, Trainer oder Berater – alles, was den Prozess der Verständigung, des Lernens oder der Veränderung unterstützt, will ich in meinem Repertoire haben und gezielt einsetzen können?
Kommunikation über die 5 Sinneskanäle
Kommunikation – der zentrale Prozess unseres Zusammenlebens – läuft über all unsere Sinneskanäle:
- Hören (Sprache und paraverbale Äußerungen)
- Sehen (Körpersprache und Mimik)
- Fühlen (Berührungen und Haptik)
- Riechen und
- Schmecken.
Der subtilen Beeinflussung über die letzten beiden Kanäle können wir uns kaum – und wollen wir auch oft nicht – entziehen.
Duft als subtiler „Verkaufsförderer“
Beim Kauf eines gebrauchten Autos hebt der Verkäufer den Wert des Autos durch den Neuwagenduft. Die Bäckerei lockt mit einem himmlischen Croissantduft zum Frühstück. Unsere Kauflaune im Einkaufszentrum wird unbewusst erheblich mit entsprechenden Düften gehoben. Auch bei der Partnerwahl entscheidet unsere Nase mit, wen wir riechen können und wen nicht.
Warum also nicht auch eine gezielte Raumbeduftung in der Mediation einsetzen? Es wäre doch schön, wenn die Medianten beim Einstieg locker und entspannt wären oder sich bei der Lösungsfindung besser konzentrieren könnten.
Düfte und Mediation: Wie das Thema zu mir fand
Während unserer laufenden Mediationsausbildung an der Akademie im Park Wiesloch lenkte einer der Teilnehmer die Aufmerksamkeit von uns Trainern genau auf dieses Einsatzfeld von Düften. Wir setzen in unseren Ausbildungen auf frühzeitige Praxisfelderkundungen. Indem die Ausbildungsteilnehmer Einstimmungen oder Aktivierungen für die Gruppe vorbereiten und ihr Wissen mit einbringen, profitieren alle Beteiligten von dieser Vielseitigkeit. Von uns Trainern erhalten sie Moderationspraxis und professionelles Feedback.
So entstand die Idee zu diesem gemeinsamen Blog. Daniel Hogen, Aromatherapeut und Gesundheits- und Krankenpfleger auf einer Station für psychosomatische Medizin, lässt nun auch Sie in dem von uns gemeinsam entwickelten Beitrag von seinem Knowhow profitieren. Ich freue mich besonders darüber, dass dies den Auftakt meiner Blogreihe bildet, denn mir geht es um Kooperation, Bereicherung und voneinander Lernen. Ich wünsche viel Spaß dabei.
Verena Hutschenreuter
Aromatherapie: Von Anfang an dabei…
Die Aromatherapie ist ein Teil der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie), somit ist sie so alt wie die Menschheit selbst. In allen Völkern dieser Welt gab es Druiden, Medizinmänner, Hexen, Heiler, Pflanzenexperten usw. Sie alle haben sich schon mit den Wirkungen der Pflanzen und daraus gewonnenen Essenzen auseinander gesetzt.
Düfte und Gerüche sind allgegenwärtig und bestimmen meist unterbewusst viele Ereignisse unseres Lebens. In der Steinzeit war der Geruchssinn noch ein überlebenswichtiger Sinn. Heute nehmen wir dessen Bedeutung weniger stark wahr. Aus der Evolution resultierende „Grundprägungen“ des Geruchssinns sind z.B. einen Geruch als
- lecker (angenehm riechend -essbar, genießbar)
- eklig (übelriechend; nicht essbar – keine Nahrung)
- widerwärtig (Gestank; Gefahr) oder
- sehr anziehend/erotisch (z. B. Partner) einzustufen.
Diese Prozesse laufen meist unbewusst ab.
Die Bedeutung des Geruchsinns
In unserer Sprache weisen viele Redewendungen auf die Bedeutung des Geruchssinns hin:
„Den Braten habe ich gleich gerochen“
„Das stinkt mir gewaltig“
„Den oder die kann ich nicht riechen“
„Das riecht nach Ärger“
„Die Nase voll haben“
Wie und vor allem auch mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck kann ich nun Düfte im Bereich der Mediation einsetzen?
Einsatz von 100% naturreinen ätherischen Ölen
In der Aromatherapie arbeiten wir mit 100% naturreinen ätherischen Ölen. Das bedeutet wir haben immer ein Konzentrat einer Pflanze und niemals etwas Synthetisches oder, wie oft auch geworben wird, Naturidentisches (ist genauso synthetisch) im Einsatz. Oftmals werden Allergien durch die chemischen Duftstoffe ausgelöst, welche in den Produkten enthalten sind.
100% naturreine ätherische Öle riechen zu Beginn der Raumbeduftung stärker und lassen nach ca. einer halben Stunde an Intensität nach. Durch die Eigenschaft der schnellen Verflüchtigung sind die Duftmoleküle noch immer in der Luft nachweisbar doch in einer Konzentration, in der wir Menschen sie nicht mehr wahrnehmen können. Ihre positive Wirkung auf unseren Organismus hält jedoch noch weiter an.
Einsatz: Wann und wozu in der Mediation?
Eine Beduftung eignet sich in jeder Phase der Mediation. Zu Beginn um Spannungen zu lösen, zwischendurch um zu Aktivieren und gegen Ende um die Konzentration zu fördern.
Bevor man einen Raum beduftet, sollte er immer gelüftet sein.
Die Wirkung der Raumbeduftung kann zum Wohlfühlen, zur Beruhigung, zur Aktivierung, zur erhöhten Konzentration und Aufmerksamkeit beitragen.
Empfehlungen zum Einsatz pro Phase
Phase 1: Sicherer Rahmen
Orange: Löst Spannungen, wirkt angstlösend und ausgleichend.
Erfahrungen mit dem Einsatz: Der bekannte Duft wird gerne angenommen. Er riecht fruchtig, wärmend. Aufgrund dieser Vertrautheit wirkt der Duft öffnend und unterstützt das „Sich Einlassen“ auf den Prozess und die Beteiligten.
Phase 2: Themen festlegen und priorisieren
Limette: Erhöht die Konzentrationsfähigkeit
Erfahrungen mit dem Einsatz: In dieser Phase geht es um konzentriertes Zuhören. Der Mediator begleitet den Verständigungsprozess durch permanentes Zusammenfassen und wenn nötig Übersetzen von Angriffen in die dahinter liegenden Anliegen der Konfliktparteien. Dies führt zu einer massiven Entschleunigung und veränderten Qualität der Kommunikation. Gleichzeitig wird diese Phase von den Beteiligten meist als sehr anstrengend empfunden. Limette kann hier unterstützend wirken, um sich zu konzentrieren und zuzuhören.
Phase 3: Sichtweisen erhellen
Geranie: Hilft bei Kommunikationsproblemen im Geschäftsleben.
Erfahrungen mit dem Einsatz: Das Erkunden der Sichtweisen des Konfliktpartners, unterstützt durch den Mediator, ist emotional extrem fordernd. Geranie unterstützt das Zuhören und das Erlangen der inneren Balance. Geranienöl hilft, stockende Kommunikation wieder in den Fluss zu bringen und überschießende Emotionen zu glätten.
Alternativ zu Geranienöl:
Cajeput kombiniert mit Zitrone: Wirkt angstlösend und konzentrationsfördernd.
Erfahrungen mit dem Einsatz: Das Öl hat einen leicht „medizinischen“ dennoch auch fruchtigen Geruch. Durch die Kombination mit Zitrone soll das Fruchtige stärker zum Vorschein kommen, um Assoziationen wie Krankheit, steril, etc. zu hemmen.
Phase 4: Lösungssuche
Zitrone: Fördert die Konzentrationsfähigkeit, macht den Kopf frei, wirkt belebend, gibt Energie.
Erfahrungen mit dem Einsatz: Ich motiviere die Konfliktparteien gerne dazu sich nach dem ersten Abflauen der Ideen Zeit zu lassen, um die „zweite Welle der Ideenfindung“ mitzunehmen. Dies ist ganz im Sinne der Regeln zur Ideengenerierung in Kreativitätsprozessen.
Mein Tipp: Vor und in dieser zweiten Brainstormingphase kurz den Raum mit Zitrone beduften.
Phase 5: Vereinbarungen treffen
Orange kombiniert mit Tonka: Die wärmende Wirkung des Tonkaöls kombiniert mit dem süß-fruchtigen Aroma der Orange wirkt aktivierend und unterstützt den Abschlussprozess der Mediation. Dieser wird von den meisten Konfliktparteien als versöhnlich und verbindend empfundenen. Nach dem „Gang durchs Nadelöhr“ und der Ideensuche ist die Bereitschaft zu Zugeständnissen und „kleinen Geschenken“ an den Konfliktpartner auf ihrem Höhepunkt.
Techniken der Beduftung: Wie bedufte ich einen Raum?
Es gibt ein breites Angebot an Möglichkeiten einen Raum zu beduften. Ich stelle hier die beiden besten und günstigsten Möglichkeiten vor. Als Duftträger eignen sich offen geknüllte Papiertaschentücher – gerne auch bunte oder bedruckte Tücher (z.B. von Paper+Design). Sie lassen sich schnell entsorgen und man kann immer wieder mit frischen Tüchern und neuen Düften variieren und experimentieren.
Alternativ können Sie dekorative Potpourris aus getrockneten Blüten, Blättern und Früchten aufstellen. Ich setzte diese nicht gerne ein, da ich damit nicht flexibel genug in der Raumbeduftung bin und mir der Materialaufwand zu hoch ist.
Wichtig: Die Raumbeduftung sollte niemals ganztägig erfolgen, sondern immer nur kurz und zu einem bestimmten Zweck.
Wie kam es zu diesem Artikel?
In der Ausbildung wurde uns angeboten uns aktiv mit einzubringen.
Für mich war es eine tolle Erfahrung mein Wissen als Aromatherapeut mit der Mediation zu verknüpfen. Einige ätherische Öle, welche sich gut zur Raumbeduftung eignen, habe ich mit Informationen rund um das Thema Aromatherapie in einem Modul vorgestellt. Die Resonanz der Gruppe und die Rückmeldung zweier Feedbackgeber haben mir gezeigt, dass Interesse an einer gezielten Raumbeduftung besteht. Wegen der häufigen Nachfrage, wie man am besten welche Öle nutzten kann, habe ich ein Infoblatt zusammengestellt welches Ihnen hier zum Download zur Verfügung gestellt wird. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an mich.
Infoblatt: Einsatz ätherischer Öle in der Mediation
Kontakt:
Daniel Hogen
Email: post@danielhogen.de
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